Feuersbach in alter und neuer Zeit
Einträchtig liegen sie beeinander, die Häuser von Feuersbach, 33 an der Zahl, umsäumt von sanft ansteigenden Hängen, von saftigen Wiesen und Äckern, Hochwald und Hauberg droben auf den Höhen. Gepränge kenne sie nicht, und dennoch, auch sie haben ihren Schmuck: das Fachwerk ihres Gemäuers. Den tragen sie seit undenklichen Zeiten und er ist ihre Schönheit geblieben bis zum heutigen Tage. Aber noch eine andere Zier ist dieser kleinen Häuserfamilie zu eigen, die Schlichtheit ihres nach den Geboten der Zweckmäßigkeit gestalteten Äußeren. Und alle miteinander fügen sich, fernab vom Getriebe der Welt da draußen, als ein malerisches Idyll zu einem reizvollen dörflichen Bild, einem der schönsten, die man im Siegerland kennt.
Spürt man der Vergangenheit des Ortes nach, den Kraftströmen des Lebens, die Feuersbach zu dem gestalteten, was es heute ist, so verliert man sehr bald die Spur dorfgeschichtlicher Entwicklung. Sie verläuft sich jenseits der Jahrhundertwende in Dunkel längst verklungener Tage, und man muß schon bei den Alten des Dorfes anklopfen, um Antworten auf die Frage nach dem „Wie war es denn damals?“ zu erhalten. Doch auch dieses Erinnerungsbild der Alten vom Werden und Wirken der Gemeinde bleibt in seinen wesentlichen Zügen auf die letzten 50 Jahre beschränkt; was sonst an Überlieferungen aus früherer Zeit festgehalten werden konnte, ist spärlich.
Seit die Feuersbacher 50 Vertriebene aus dem Osten in ihre Ortsgemeinschaft aufnahmen, verzeichnet die Einwohnerliste rund 240 Namen. Und das ist das Eigentümliche: während andere Dörfer in der Nachbarschaft von Jahrzehnt zu Jahrzehnt beständig wuchsen, kennzeichnet eine auffallende Stetigkeit die Zahlder Eingesessenen. Im Jahre 1818, so weiß man, zählte der Ort nicht mehr als 169 Seelen und dabei ist es über die Jahrhundertwende hinweg fast geblieben. 1934 ergab die Zählung 197 Einwohner, ein Stand, der sich 1938 wieder auf 178 minderte, bis jetzt zusammen mit den Ortsvertriebenen die 200-Grenze überschritten wurde.
Auch in der baulichen Entwicklung ist der Ort eine Merkwürdigkeit. Während in den benachbarten Gemeinden überall neue Wohnstätten entstanden, hielt sich die Häuserzahl von Feuersbach Jahrzehnte fats auf gleicher Höhe, und die Alten des Dorfes wissen zu berichten, dass sich Feuersbach im Laufe der letzten 100 Jahre nur um ganze sieben Häuser vergrößerte, zu denen dieses Jahr noch ein Neubau hinzukam, macht also alles in allem einen Zuwachs von acht Häusern.
Das Haus mit der bewegtesten Geschichte ist zweifellos das Schulgebäude als die Stätte der Erziehung und Ertüchtigung der Jugend des Dorfes. Bereits als es um seinen Bau ging, gab es damals ein langes Hin und Her, bis es endlich soweit war, dass die Maurer mit ihrem Werk beginnen konnten. Da das alte Schulgebäude längst nicht mehr den Anforderungen der damaligen Zeit genügte, faßte die Gemeinde im Jahre 1899 den Entschluss, es durch einen Neubau zu ersetzen. Doch es dauerte immerhin noch drei Jahre, ehe mit der Verwirklichung des Bauplanes begonnen werden konnte. Da es die Feuersbacher aus eigener Finanzkraft allein nicht schaffen konnten, gewährte ihnen die Regierung tatkräftige Unterstützung. Die alte Schule fiel, eine neue trat an ihre Stelle, ein Bauwerk, mit dessen architektonischer Eigenart amn sich damals nicht recht befreunden konnte; doch die Gemüter beruhigten sich allmählich, und man ließ sich davon überzeugen, dass die Schule doch auch so, wie sie nun stand, für das Ortsbild ein Gewinn geworden war.
Wahrzeichen der Feuersbacher Schulstätte ist ein kleines Türmchen auf seinem tiefgezogenen Schieferdach, ein schlankes, zart zugespitzes Gebilde als Hülle der Glocke, die seit Jahr und Tag die Kinder zum Schulgang mahnt. Ihre Stimme ist der Ruf zu den ersten Pflichten der Jugend, aber auch an die Erwachsenen des Dorfes wendet sie sich, aus freudigen Anlässen und aus ernsten . Sie ruft die Einwohnerschaft zum Gottesdienst, zum gemeinschaftlichen Arbeitseinsatz, wenn Trauer eingezogen ist im Dorfe oder die Feuerwehr alarmiert werden muss.
Ein halbes Jahrhundert steht nun schon dieses Schulgebäude im Dienste der Gemeinde, des Unterrichtes und des Gotteswortes. Sein Schulraum ist nach altem Kappelenrecht sonntägliche Gottesdienststätte. In seinen vier Wänden wird jahraus und jahrein das Einmaleins und das ABC gelehrt, sitzen die Feuersbacher Jungen und Mädel am Born der Schulweisheit. Im Jahr 1891 waren es 41, an der Jahrhundertwende nur noch 17, nach dem ersten Weltkrieg stieg ihre Zahl auf 72, 1942 sank sie wieder auf 12 und in diesem Jahr besuchen 42 Jungen und Mädel die Schule.
Die alte Schulglocke, ein Werk der Glockengießerkunst aus dem Jahr 1689 ist nicht mehr; sie musste im letzten Krieg abgeliefert werden und wurde vor zwei Jahre durch eine neue ersetzt.
Im Wirtschaftsgebäude der Schule hat überdies die Handfeuerspritze der Wehr ihren Platz, und man muss schon ein paar Jahrzehnte in der Ortsgeschichte zurückblättern, um auf den Tag zu stoßen, an dem sie zum letzten Male eingesetzt worden ist.
Die landwirtschaftliche Arbeit – der Ackerbau und die Viehzucht – bestimmt das Bild des Wirkens der Feuersbacher. Von der einstigen Blüte der Haubergswirtschaft ist nur noch ein Schatten geblieben.
472 Hektar gehören zum Besitz der Gemeinde, und davon waren einst allein 329 Hektar Hauberg. Seit sich jedoch sein Ertrag im Wandel der Zeiten mehr und mehr senkte, gingen die Feuersbacher daran, ihn in Hochwald, Weide und Ackerland umzuwandeln. Das taten sie bereits vor dem ersten Weltkrieg, und auch in jüngster Vergangenheit haben sie nicht gezögert, den Hauberg durch ausgedehnte Rodungen noch weiter zurückzudrängen.
32 kleinbäuerliche Betriebe in der Größe von zwei bis sieben Hektar zählt die Gemeinde heute, und da die Landwirtschaft für alle nicht einbringt, was sie für den Lebensunterhalt brauchen, haben etwa 20 Feuersbacher in benachbarten Industriewerken ihre Arbeitsstätten.
Anschluss an die Fernverbindungswege erhielt die Gemeinde um das Jahr 1860 mit dem Bau der Straße, die vom Weißtal nach Feuersbach hinnaufführt, gleich hinter dem Ort die Deuzer Höhe erklimmt und hinein ins Hessische verläuft. Kamen die Händler von dort dereinst mit ihren landwirtschaftlichen Erzeugnissen auf beschwerlichen, uralten Hohlwegen herüber, zu Fuß, bedachtsam auf dem Esel oder flink zu Pferde, so sank mit dem Bau dieser Straße ein Idyll jener Zeit dahin, von der man heute noch zu sagen pflegt, es sei eine gute Zeit gewesen.
Auf dem Vormarsch erreichte der Fernsprecher die Feuersbacher im Jahre 1908, in welchem denkwürdigen Jahr das erste Telephongespräch von ihrem Dorf aus am 1. November geführt wurde. Und man war erfreut über solchen Fortschritt, nur die Alten wollten von ihm nicht allzu viel wissen.
13 Jahre später schenkte die Technik der Gemeinde eine neue Errungenschaft: das elektrische Licht. Wenngleich es damals einigen Leutchen nicht leicht gefallen sein soll, sich von der guten, alten Petroleumlampe zu trennen und für eine einzige Kilowattstunde ganze 270 Inflationsmark zu zahlen, so wußten doch auch die Feuersbacher der neuartigen Beleuchtungsweise recht bald lichtvolle Seiten abzugewinnen.
Dem Telephon und dem elktrischen Licht folgte schließlich auch die Wasserleitung. Im Hand- und Spanndienst packte die ganze Gemeinde an, um endlich das Pumpenzeitalter zu beenden. Zum Herbst 1946 ging es los mit dem Bau der Leitung, die eine Länge von 1800 Metern erreichte und seit Mitte dieses Jahres das ganze Dorf versorgt. Was die Gemeinschaft auch in schwerer Zeit zu leisten vermag, wenn sie zusammensteht, das bewiesen die Feuersbacher erneut mit dem Bau ihrer Wasserleitung.